Blick hinter die Kulissen des Lessingtheaters in Wolfenbüttel
So richtig viel passiert in diesen Tagen vor Weihnachten bekanntlich nicht mehr. Zwischen Adventskalendertürchen öffnen, Kekse backen und wichteln steht für viele Kinder aber noch ein Theaterbesuch auf dem Programm. Ein besonders beliebtes Ziel für Kindergartengruppen und Grundschulklassen ist das Lessingtheater in Wolfenbüttel.

Das junge Publikum wartet auf Einlass. Foto: Beate Ziehres
In den letzten Wochen eines jeden Jahres herrscht in den historischen Mauern reges Kommen, Gehen und Gewirr von Kinderstimmen. Vier Kinderstücke werden im Lessingtheater in der Weihnachtszeit gezeigt. Während meines Besuchs in Wolfenbüttel spielt das Landestheater Detmold das Märchen „Der gestiefelte Kater“.
Zwei Vorstellungen pro Vormittag
„Wir unterhalten bis Weihnachten 7.000 Kinder“, lacht Carsten Schrader, der im Lessingtheater für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig ist. An diesem Vormittag wechselt das quirlige Publikum im Zweistundentakt – schon alleine dies bedeutet eine logistische Herausforderung für die Theatermitarbeiter. Doch alles läuft wie am Schnürchen.
Die Gruppen werden am Eingang in Empfang genommen und zu einer Stelle gebracht, an der sie Taschen deponieren können. Zum Verstauen der Jacken stehen riesige Taschen bereit – eine Sicherheitsmaßnahme! Falls das Theater evakuiert werden muss, können die Jacken schnell gegriffen werden. Wenn dann die Frühstücksbrote verzehrt sind, begleitet ein Mitarbeiter die jungen Besucher zu den Plätzen im Saal und verteilt brandsicherheitskonforme Sitzerhöhungen, falls nötig.
Hoch über der Bühne des Lessingtheaters
Gemeinsam mit Carsten Schrader schlage ich jedoch einen anderen Weg ein. Wir wollen unter das Dach des Theaters klettern.

Carsten Schrader ganz oben unter dem Dach des Lessingtheaters. Foto: Beate Ziehres
Von oben blicken wir zwischen den einzelnen Vorhängen hindurch runter auf die Bühne. Dort unten schiebt die Crew des Landestheaters Detmold gerade Bühnenbilder hin und her.

Blick von oben auf die Bühne. Foto: Beate Ziehres

Imposante Technik beim Blick nach oben. Foto: Beate Ziehres
In der Pause zwischen zwei Vorstellungen hat Yannic Birkhahn seinen Arbeitsplatz am Ton-Pult des Regieplatzes verlassen. Im Seitenbereich der Bühne zeigt er mir, wie die Handzüge bedient werden. Mit Muskelkraft bewegen sich die insgesamt zehn Gassenvorhänge hoch. Die Beleuchtungszüge, an denen die Scheinwerfer installiert sind, und schwere Kulissen werden von Motoren bewegt. Diese Arbeit übernehmen sogenannte Maschinenzüge.

Muskelarbeit: Yannic Birkhahn demonstriert, wie die Vorhänge von Hand bewegt werden. Foto: Beate Ziehres

Blick von der Bühne zwischen die Gassenvorhänge. Foto: Beate Ziehres
Die zwei wichtigsten Männer im Lessingtheater
Das Pult auf der Bühne ist eigentlich der Arbeitsplatz von Bühnenmeister Holger Setzkorn, einem der wichtigsten Männer im Theater. Er gibt die Befehle zum Türen schließen, Licht dimmen und damit das Startsignal für das Stück.

Die Plätze mit der besten Übersicht: Front of House des Lessingtheaters. Foto: Beate Ziehres
Die zweite unabkömmliche Person im Haus ist der technische Leiter Marc Dittrich. Er arbeitet – wie Yannic Birkhahn – am Regieplatz über dem Publikum. Theaterleute nennen diesen Platz auch FOH. Die Abkürzung steht für „Front of House“. Hier befinden sich Ton- und Licht-Pult, wobei Dittrich für die Beleuchtung zuständig ist. „Ohne den Bühnenmeister und den technischen Leiter fängt hier kein Stück an“, sagt Carsten Schrader.
Zwischen Orchestergraben und Küche: im Keller des Lessingtheaters
Nun geht es auch schon wieder treppab. Vorbei an den Garderoben und einem Aufenthaltsraum, in dem sich zwei Schauspieler gerade ein Tässchen Kaffee und frischen Kuchen schmecken lassen, erreichen wir den Keller. Neben dem höhenverstellbaren Orchestergraben und Lagerräumen gibt es hier eine Wäscherei, in der Ensembles während der Tournee Kostüme waschen können, und eine Küche.

Blick in die Garderobe der Schauspieler. Foto: Beate Ziehres

Hubmechanik des Orchestergrabens. Foto: Beate Ziehres
„Wir verwöhnen die Schauspieler schon ein bisschen“, schmunzelt Schrader. Er erzählt, dass eine Servicekraft die Künstler empfängt und sie mit Getränken und Snacks versorgt. „Wir wollen gute Gastgeber sein – für die Zuschauer und die Künstler. Das spricht sich rum und erleichtert die Arbeit der Theaterleiterin“, sagt Schrader. So öffnen sich Alexandra Hupp Türen, die möglicherweise verschlossen blieben, wenn die Ensembles nicht so gerne in die Lessingstadt kämen.
Brandschutz: Druck aus über 100 Luftflaschen
Im Keller befindet sich auch das Herzstück der hochmodernen Brandschutztechnik: eine Hochdrucksprühnebelanlage mit einem 15.000-Liter-Wassertank und 103 Druckluftflaschen. Die Anlage wurde eingebaut, nachdem das Theater 2007 aus Gründen des Brandschutzes schließen musste. Drei Jahre lang wurde das historische Gebäude aus dem Jahr 1909 saniert, die Kosten summierten sich auf 20 Millionen Euro.

103 Druckluftflaschen sorgen dafür, dass im Brandfall ein Sprühnebel das Feuer erstickt. Foto: Beate Ziehres
Im Rahmen der Sanierung erhielt das Baudenkmal erst den Keller, den wir nun schon erkundet haben. Außerdem gesellten sich zwei Wintergärten und ein modernes Treppenhaus zu den Räumen mit den originalgetreu von Hand bemalten Wänden. Die Techniker installierten eine neue Beleuchtung, die einem eigens entwickelten Lichtkonzept folgte, und eine Entrauchungsanlage: Sollte jemals ein Feuer ausbrechen, öffnen sich automatisch alle Fenster, damit die giftigen Rauchgase schnell aus dem Gebäude ziehen können. Doch bis jetzt, sagt Carsten Schrader und klopft auf imaginäres Holz, gab es weder einen Fehlalarm noch einen echten Alarm.

Die Wände im Foyer und im Saal sind handbemalt. Foto: Beate Ziehres

Das Lichtkonzept wurde eigens für das Lessingtheater entwickelt. Foto: Beate Ziehres
Rund 140 Veranstaltungen pro Spielzeit im Lessingtheater
Theaterleiterin Alexandra Hupp stellt für jede Spielzeit, die von September bis Juni reicht, einen Spielplan auf, der sich sehen lassen kann. 143 Veranstaltungen sind es in der Spielzeit 2018/19, wobei das Haus üblicherweise auf eine Auslastung um die 85 Prozent kommt.
„Unser Glück ist, dass das Wolfenbütteler Publikum sehr theateraffin ist“, sagt Carsten Schrader. Doch zum gestiefelten Kater kommen an diesem Vormittag neben Einrichtungen aus Wolfenbüttel auch Kindergärten und Schulen aus Salzgitter und Goslar.
Wenn die Landesbühne Detmold Kater und Kulissen wieder in den Lastwagen packt und weiterzieht, wird es in Wolfenbüttel nicht ruhiger. Denn dann kommt das Theater für Niedersachsen mit „Heidi“ ins Lessingtheater. Den Abschluss der vorweihnachtlichen Märchen bestreitet das Westfälische Landestheater mit „Robbi, Tobbi und das Fliewatüüt“.
Das Gastspielhaus am grünen Stadtrand von Wolfenbüttel ist einer von 100 zeitORTEN in der Region Braunschweig-Wolfsburg. Weitere Spielstätten, die zu den zeitORTEN zählen, sind das Brunnentheater in Bad Helmstedt und das Staatstheater in Braunschweig.
Tipp: Der Veranstaltungskalender auf die-region.de bietet einen Überblick über alle Theaterveranstaltungen in der Region – hier ist für jeden Geschmack etwas dabei, natürlich auch alle Weihnachtsmärchen!

Blick auf das Lessingtheater Wolfenbüttel, Foto: Christian Bierwagen