Revolution in Braunschweig: Sonderausstellung im Schlossmuseum beleuchtet Anfänge der Demokratie
Revolution in Braunschweig: Schlossmuseum beleuchtet Anfänge der Demokratie
Wer heutzutage in Braunschweig Schloss sagt, denkt ans Einkaufen. Oft wird vergessen, dass im Welfenschloss deutsche Geschichte geschrieben wurde. Und zwar genau vor 100 Jahren. Deshalb werfe ich heute einen Blick in das rekonstruierte Schlossgebäude. Zwischen dem herzoglichen Wohnzimmer und dem Thronsaal erfahre ich, welche Rolle die Bewohner des Schlosses bei der Einführung der Demokratie in Deutschland spielten.

Museumsleiterin Dr. Ulrike Sbresny in der Sonderausstellung. Foto: Beate Ziehres
Neben einem Einkaufstempel beherbergt das Schloss nämlich auch das Schlossmuseum. Das Museum ist eines von 100 Mitgliedern im Netzwerk „ZeitOrte – Expeditionen ins Zeitreiseland“. Und tatsächlich fühle ich mich zurückversetzt in die hitzige Zeit der Novemberrevolution, als ich die Räume mit Originalmöbeln aus dem Braunschweiger Schloss betrete.

Herzogliches Arbeitszimmer im Schlossmuseum Braunschweig. Foto: Beate Ziehres
Es war der 8. November 1918, drei Tage vor dem Ende des 1. Weltkriegs, als sich eine bewaffnete Abordnung des Arbeiter- und Soldatenrates Zugang zum Schloss verschaffte. Hier hielten sich zu diesem Zeitpunkt Herzog Ernst August von Braunschweig und Lüneburg, seine Frau Victoria Luise und seine Schwester Marie-Luise auf. Die drei herzoglichen Kinder waren auf Schloss Blankenburg. Ob der Herzog geahnt hatte, was sich anbahnte?
Sonderausstellung in Braunschweig: Revolution. Abdankung. Schloss
„Noch wenige Tage vor der Revolution hatte Ernst August mit seinen Eltern korrespondiert und sie nach Braunschweig eingeladen“, sagt Museumsleiterin Dr. Ulrike Sbresny. Bis zuletzt hatte der Herzog gehofft, dass sich das Ende der Monarchie noch abwenden lasse.
Selbst am Tag der Abdankung versuchte Ernst August noch, das Wahlrecht zu reformieren. „Die Welfen hatten bis zu diesem Zeitpunkt rund 800 Jahre regiert, mit Ausnahme der Zeit von 1884 bis 1913. Die Idee, dass Arbeiter die Regierung übernehmen könnten, war für sie absolut unvorstellbar“, so Ulrike Sbresny.

Imposant: Der Thronsaal im Schlossmuseum. Foto: Beate Ziehres
Eine Sonderausstellung beleuchtet jetzt die Vorgänge vor einem Jahrhundert. „Revolution. Abdankung. Schloss“ lautet der Titel der Ausstellung. Zentrales Dokument der Ausstellung ist die Original-Abdankungsurkunde des Herzogs. Die sechsköpfige Delegation des Arbeiter- und Soldatenrates hatte die vorbereitete Urkunde mitgebracht ins Schloss und sie dem Herzog zur Unterschrift vorgelegt.
Des Herzogs Abdankungsurkunde – ein Symbol für Demokratie
Mit seiner Unterschrift besiegelte Ernst August das Ende des Herzogtums Braunschweig. Die Abdankung war die erste Abdankung eines Monarchen in Deutschland, denn erst einen Tag später gab Reichskanzler Max von Baden, ein Schwager Ernst Augusts, in Berlin die Abdankung des letzten deutschen Kaisers, Wilhelm II, bekannt. Pikant: Zu diesem Zeitpunkt bastelte Wilhelm II, übrigens der Schwiegervater von Ernst August, im belgischen Exil noch an seiner Abdankungsurkunde. Später an diesem Tag, dem 9. November 1918, wurde die Republik ausgerufen.
„Die Abdankungsurkunde des Herzogs ist von herausragender Bedeutung und ein Symbol für die Demokratie und einen friedlichen Machtwechsel“, sagt Ulrike Sbresny. Das Dokument wird üblicherweise am Standort Wolfenbüttel des Niedersächsischen Landesarchivs verwahrt.

Die Abdankungsurkunde ist zentrales Exponat in der neuen Sonderausstellung. Foto: Beate Ziehres
Die Vorgänge rund um die Abdankung des Herzogs von Braunschweig-Lüneburg sind im Sonderausstellungsraum des Schlossmuseums anschaulich dargestellt. Sie werden aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet und die Berichte darüber stammen aus verschiedenen Epochen.

Den Moment der Abdankung kann man in der Ausstellung nacherleben. Foto: Beate Ziehres.

Der Moment der Abdankung: Auf der Schreibmaschine getippt. Foto: Beate Ziehres
Ebenfalls im Fokus des Schlossmuseums: die neuen Machthaber im Schloss
Die Ausstellung „Revolution. Abdankung. Schloss.“ informiert in weiteren Räumen auch über die neuen Machthaber im Schloss, den Arbeiter- und Soldatenrat. Gezeigt wird beispielsweise Schriftverkehr zwischen den neuen und dem alten Hausherren. „Der Ton in diesen Briefen ist immer unglaublich höflich. So gibt Ernst Augusts Beauftragter beispielsweise Tipps zur Verwaltung des Hofstaats“, sagt Ulrike Sbresny.

Ebenfalls thematisiert: Die neuen Machthaber im Schloss. Foto: Beate Ziehres
Die herzogliche Familie, die Bediensteten und die weitere Nutzung des einstigen Residenzschlosses werden ebenfalls thematisiert. Denn der Machtwechsel brachte dem herrschaftlichen Gebäude, den Beamten und zahlreichen Bediensteten eine ungewisse Zukunft. Für viel Streit sorgte beispielsweise die Frage, wem das Privateigentum des Herzogs und die Kunstschätze der Welfen nach der Abdankung gehörten.
Schloss Braunschweig ohne Schlossherr
Im Weißen Saal befasst sich die Ausstellung mit dem Schicksal des Schlosses selbst. Lange Listen von Gegenständen, die nach der Abdankung des Herzogs keine Funktion mehr hatten, sind hier zu sehen. Auf einer der Listen findet sich beispielsweise eine Schlittentigerdecke. Ein Zeitungsartikel kündigt den „Möbelverkauf im Schloss“ an. „Die Bevölkerung hat solche Verkaufsaktionen gerne genutzt“, weiß Dr. Ulrike Sbresny.

Schloss ohne Herzog. Foto: Beate Ziehres
In den großen Ballsaal des Schlosses zogen die Kammerspiele des Landestheaters ein. Erhalten sind beispielsweise Abbildungen von Bühnenbildern, Ankündigungen und der Sitzplan. Ein Mieter mit erhöhtem Platzbedarf war das Naturhistorische Museum. Der Steinbock, der auf einem Bild von damals zu sehen ist, kehrt zur Sonderausstellung ins Schloss zurück.

Umnutzung der Räumlichkeiten im „Schloss ohne Herzog“. Foto: Beate Ziehres
1934 fand die kulturelle und wissenschaftliche Nutzung des Schlosses ein Ende. Die SS-Juncker-Schule zog ein. Im Jahr 1960 wurde das stark beschädigte Schloss abgerissen.
Und wie erging es der Familie nach der bedeutungsschweren Unterschrift Ernst Augusts? „Obwohl die Welfen hätten bleiben dürfen, reisten die Erwachsenen am nächsten Tag mit dem Auto und gepackten Koffern nach Blankenburg, um die Kinder abzuholen. Max von Baden, der Ehemann von Marie-Luise, kam mit dem Sonderzug des Reichskanzlers nach Aschersleben. Die Familie stieg in den wartenden Zug, der sie nach Süddeutschland brachte. Von dort aus reiste Ernst August mit Frau und Kindern nach Gmunden in Österreich“, weiß Ulrike Sbresny.
Die Nachkommen der Bewohner des Braunschweiger Schlosses
Im Märchen würde es nun heißen: Dort lebten sie glücklich bis an ihr Lebensende. Fakt ist, dass wir die Nachkommen des letzten regierenden Herzogs von Braunschweig-Lüneburg bestens kennen – zumindest aus den Gazetten: Der Enkel des Herzogs, der 64-jährige Prinz Ernst August von Hannover, ist mit Prinzessin Caroline von Monaco verheiratet und immer wieder in den Schlagzeilen. Auch Königin Sophia von Spanien ist eine Enkelin von Ernst August, und auch sie trägt – wie Ernst August von Hannover –den Titel Herzogin von Braunschweig-Lüneburg.
Weitere Informationen zur Sonderausstellung „Revolution. Abdankung. Schloss“
Dauer: 30.10.2018 bis 25.8.2019
Öffnungszeiten:
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Dienstag 10 bis 17 Uhr
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Mittwoch 13 bis 20 Uhr
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Donnerstag bis Sonntag 10 bis 17 Uhr
Ort: Schlossmuseum Braunschweig, Schlossplatz 1, 38100 Braunschweig